Informationen zu arbeitsrechtlichen Themen

1. Urlaubsabgeltungsrecht

Arbeitgeber müssen auf Resturlaub und Verjährungsfristen hinweisen, sonst verfällt der Urlaubs(abgeltungs)anspruch unter Umständen bis zu 10 Jahren seit Entstehung des Anspruchs nicht. Das Bundesarbeitsgericht folgt mit seinem Urteil in Sachen 9 AZR 266/20 rechtlich zwingend einer Vorgabe des EuGH, Rs. C-120/21 .

Für Resturlaub gilt hierzulande eine Verfallsfrist von drei Jahren. 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass diese Verjährungsfrist nur dann greift, wenn ein Arbeitgeber seine Beschäftigten darüber auch explizit über Ansprüche informiert hat. Andernfalls bleiben die Urlaubsansprüche bestehen (so EuGH, Rs. C-120/21).

In richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den
Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes.

Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen
bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer - erforderlichenfalls förmlich auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt. 

Anmerkung: 

Unterlässt der Arbeitgeber dies Pflicht, muss er unter Umständen noch bis zu 10 Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Abgeltungsforderungen rechnen, denn die regelmäßige Verjährung von 3 Jahren beginnt ab Kenntnis des Anspruchs. Die kürzeren und zulässigen Verfallfristen fangen nur dann an zu laufen auch in entsprechender Anwendung, wenn der Arbeitgeber darüber formal und initativ den Arbeitgeber, am besten jedes Jahr am Jahresende über den bestehenden Resturlaub informiert hat. Im einzelnen ist bezüglich des 10 Jahreszeitraums aber noch einiges streitig. 


2. Abfindungsregeln bei Kündigung

Grundsätze 

- Einen Anspruch auf Abfindung bei Kündigung des Arbeitsverhältnis gibt es nicht.

- Abfindungen sind Verhandlungssache

- die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung kann zwingend unter bestimmten Umständen nur das Arbeitsgericht verfügen.

- Im Kündigungsschutzgesetz gibt es Anhaltspunkte und Grundregeln für die angemessene Höhe einer Abfindung.

- die Rechtspraxis hat weitere Kriterien zur Höhe einer Abfindung entwickelt.

- Abfindungen sind zu versteuern.

3. 

Thema Arbeitszeitenerfassung 

Pflicht zur Zeitarbeitserfassung (auch) für verbeamtete Lehrer ?

Kommentar zum Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 Az.: C - 55/18 

Ausgangslage:

Der europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 14. Mai 2019 (Az.:C-55/18) zur Arbeitszeiterfassung, dem  so genannten Stechuhr Urteil, entschieden, dass die europäische Arbeitszeitenrichtlinie 2003/88/EG nur dann effektiv zur Geltung kommt, wenn durch ein objektives und verlässliches System die Arbeitszeit des Arbeitnehmers erfasst werde.
Es besteht nunmehr Uneinigkeit zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und der Kultusministerkonferenz, ob diese Pflicht auch für verbeamtete Lehrer gilt. Die Kultusminister sehen keine Verpflichtung. Im Referentenentwurf des Bundesministers ist keine Ausnahme für Beamte vorgesehen!


Das Bundesarbeitsgericht, siehe Beschluss des 1. Senats vom 13. September 20221,  ABR 22/21, hat das Urteil des EuGH bestätigt und sieht Spielräume bei der Umsetzung. 
Wie weit diese gehen, bleibt aber offen und das „ob! ebenfalls. Die Kultusministerkonferenz sieht Spielräume offensichtlich dahingehend, dass die Arbeitszeiterfassung nicht für verbeamtete Lehrer gilt.


Problematisch ist aber, wie die wöchentliche Höchstarbeitszeit nach Artikel 6 der RICHTLINIE 2003/88/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung überwacht und überprüft werden soll, wenn es bei verbeamteten Lehrern kein Zeiterfassungssystem gibt und diese ihre Arbeitszeit auch nicht selbst dokumentieren müssen. Denn viele Arbeitsstunden zum Unterricht an sich werden von Lehrkräften  bekanntermaßen nachmittags und abends geleistet, teilweise sogar noch morgens vor dem regelmäßigen Unterrichtsbeginn um 08:00 Uhr..
Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeit vom Unterricht und Anfertigung von Materialien etwa.

Hinzu kommen nachmittags und abends noch Elterngespräche, Konferenzen, Elternabende, Dienstbesprechungen, Klassenfeste, Schulfeste etc..  Das sind alles Dienste die  zeitlich nicht erfasst werden außerhalb der Unterrichtsverpflichtungen. In der Arbeitszeitrichtlinie wird auch nicht nach staatlichen und nichtstaatlichen  Arbeitgebern unterschieden. 

 

 

Als Arbeitnehmer „EU“ wird „jeder Beschäftigte“ angesehen. Diese Definition, die EU weit verbindlich ist, ergibt sich aus Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. Betroffen sind demnach alle privaten und öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie 89/391/EWG.

Ausnahmen gibt es nur in Situationen von besonderer Schwere und besonderem Ausmaß und nur, wenn sie für den Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit und Ordnung unerlässlich sind.
Die Arbeitszeitrichtlinie ist eine Ausgestaltung des Rechts aus Art. 31 Abs. 2 der EU Grundrechtscharta, wo die Errichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit als europäisches „Grundrecht“ eines jeden  Arbeitnehmers statuiert wird.
Schon aus dieser Norm, die unmittelbar wirkt, könnte man die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen und auch einklagen.
Der Referentenentwurf der Bundesregierung folgt den Vorgaben der EU und sieht richtigerweise dann auch keine Ausnahme von der Zeitarbeitserfassungspflicht folgerichtig vor.
Der rein politisch motivierte Widerspruch der Kultusministerkonferenz ist rechtlich unhaltbar.
Selbst wenn das Gesetz zur Umsetzung des EuGH Urteils und der Vorgaben des BAG eine Ausnahme vorsehen würde, wäre diese Ausnahme EU rechtswidrig und wäre nur eine Frage der Zeit, wann spätestens der EuGH, wenn nicht schon vorher das BAG, diese Norm als EU rechtswidrig einkassieren würde, sprich als unanwendbar im Anwendungsbereich des Rechts aus Art. 31 Abs. 2 der EU Grundrechtscharta..
Das EU Recht geht in dessen Anwendungsbereich nationalem Recht per se vor. Das sehen die EU Verträge vor und ist lange ausdiskutiert. Auch der effet utile würde hier ausgehöhlt, wenn es eine Ausnahme gäbe.
Es führt also kein Weg daran vorbei. Jeder Lehrer hat das Recht auf Erfassung seiner tatsächlichen Arbeitszeit. Daran bemisst sich dann die Zulässigkeit der geleisteten Stunden und daran angeknüpft natürlich das Recht auf Ausgleichsmaßnahmen wie Freizeitausgleich oder Abgeltung mit Gehalt, bzw. bei Beamten Aufstockung der Bezüge.
Beide Wege scheuen die Arbeitgeber hier natürlich wie er Teufel das Weihwasse, denn es bedeutet, dass mehr Lehrer eingestellt werden müssten oder die Überstunden vergütet oder durch Freistellung abgegolten werden müssten. Beide Wege führen zu enormen Mehrkosten für die Länder als Arbeitgeber im Schulwesen. Diese sind aktuell wohl dann auch nur auf Kosten anderer Ausgaben zu finanzieren.
Das Problem verschärft sich auch noch dadurch, dass es immer weniger Lehrkräfte gibt und die aktuell vorhandene Lehrerschaft schon sowieso andauernd Vertretungen durch diesen Mangel, vor allem beim Ausfall durch Krankheit, leisten muss.
Wenn ein verbeamteter Lehrer seinen Arbeitgeber auf Erfassung seiner Arbeitszeit verklagen würde, bzw. in Anspruch nehmen würde, würde dieser dazu verurteilt werden, ein System zu installieren, bzw. zu etablieren, das dies ermöglicht.
Die Kultusminister dagegen haben gegen diese Pflicht nach EU Recht keine Chance ihren Standpunkt dauerhaft rechtswirksam durchzusetzen.
Selbst eine Ausnahme im nationalen Arbeitszeitengesetz führt nur dazu, dass eine solche EU rechtswidrige Regelung bei Anrufung des EuGH bzw. Vorlage durch ein nationales Gericht und Vorabentscheidungsverfahren für unanwendbar in diesem Punkt erklärt werden würde.

Fazit:

Verbeamtete Lehrer sollten sich nicht scheuen ihre Arbeitszeit selbst zu erfassen und den Kultusminiserien bei Überschreiten der erlaubten Zeiten mit Arbeitsverweigerung oder Gehaltsforderungen oder Sonderurlaub "zu drohen", sollte es kein Erfassungs- und Ausgleichssystem geben und den Erfassungsanspruch dann auch einklagen! 
Das gleiche gilt natürlich erst Recht auch für angestellte Lehrkräfte!



Andreas Orth, LL.M.Eur., 

 

 

Saarbrücken, den 06.02.2024